Ein zartes Band wird gewebt – Wie Bindung entsteht
Zwischen jedem Baby und seinem austragenden Elternteil, idR. ist das seine Mama, wächst in seiner Zeit im Wunderbauch die Nabelschnur heran. Sie hat u.a. die Aufgabe, sein körperliches Grundbedürfnis nach Nahrung zu stillen.
Zwischen jedem Baby und seinen Eltern beginnt in seiner Zeit im Bauch eine weitere Schnur zu wachsen.
Sie ist für unsere Augen unsichtbar und zu Beginn fast kaum zu spüren. Sie hat die Aufgabe, die seelischen Grundbedürfnisse eines Kindes nach Liebe, Sicherheit und Geborgenheit, kurzum nach VerBINDUNG, zu stillen.
Oftmals sogar besteht dieses zarte Band schon vor einer Schwangerschaft. Denn viele Babys wohnen zuerst eine Zeit lang nur in unseren Herzen, bevor sie in unsere Wunderbäuche einziehen #1von7.
Wenn das Baby das Licht der Welt erblickt, löst es sich innerhalb der ersten Zeit von der Nabelschnur. Das zarte Band der Bindung hingegen bleibt bestehen und beginnt sich Stück für Stück, Stunde um Stunde, Woche um Woche und Monat um Monat zu einer Bindungsschnur herauszubilden.
Bindung entsteht, kurz gesagt, aus dem Zusammenspiel von vier wesentlichen Faktoren:
o Zeit
o (ungeteilte) Aufmerksamkeit
o Berührung und
o Feinfühligkeit
Was macht diese Bindungsschnur nun aus? Und sieht sie bei jedem Menschen gleich aus?
Im Gegenzug zur Nabelschnur, hält die Bindungsschnur ein Leben lang.
Ein Kind ist und bleibt mit seinen Eltern in VerBINDUNG. Egal wie alt es ist. Egal, wo es ist.
Die Bindungsschnur ist keine starre Schnur, die immer gleichbleibend ist. Bindung für sich allein, aber auch das Bedürfnis danach, verändert sich im Laufe des Lebens eines Menschen. Bindung ist weich und flexibel und folgt keinem einheitlichen Konzept. Die Bindungsschnur ist bunt und wird von jeder Familie in ihren ganz eigenen Farbtönen in die Herzen gewebt.
Zwischen Eltern und ihre:n Kind:ern gibt es Momente der ganz innigen VerBINDUNG. Da scheinen die Herzen miteinander zu verschwimmen. Da fühlen wir uns unseren Kindern unendlich nah. Und unsere Kinder fühlen sich in solchen Momenten unendlich geborgen und geliebt. Das muss nicht unbedingt der Moment der Geburt sein. Häufig wachsen diese Momente erst mit der Zeit und überraschen uns Eltern in den unvorhergesehendsten Situationen mit unseren Kindern. Aber nicht nur das kann uns überraschen. Immer wieder sorgen auch Situationen ganz anderer Art dafür, dass wir den Atem anhalten. Und zwar dann, wenn dunkle Wolken aufziehen.
Und unter all die bunten Farben mischen sich auch dunkle Töne
Wir alle kennen vermutlich diese anderen Situationen. Momente, in denen wir die VerBINDUNG zu unseren Babys und Kindern so gar nicht gut spüren. Der stressige Alltag verdeckt uns unsere VerBINDUNG zu unsere:n Kind:ern. Schnell noch hier die volle Windel wechseln, oftmals mit ein wenig Festhalten des Kindes. Beim Zähneputzen schließt das Kind fest den Mund und uns steigt vor lauter Sorge, um kaputte Zähne, die Wut in den Bauch. Und dann fliegt uns beim Abendessen auch noch der Teller um unsere Ohren. Gerade die Pflegemomente sind in den ersten Lebensjahren unserer Kinder häufig durchzogen von stressigen Momenten.
Vor allem aber haben auch die letzten Monate den meisten Familien noch einmal zusätzlich eine große Schaufel an Stress gebracht. Der Ausfall von Betreuungsunterstützungen gepaart mit Homeoffice und teilweise ganz neuen Ängsten und Sorgen, ebenso Zeitdruck, unerfüllte (Grund)Bedürfnisse oder auch Wunden aus der eigenen Kindheit, tragen dazu bei, dass uns die VerBINDUNG zu unseren Kindern, immer mal wieder, ein Stück weit abhandenkommt.
Die VerBINDUNG zu unseren Kindern verlieren wir vor allem auch dann aus unseren Augen, wenn mehrere unerfüllte (körperliche) Grundbedürfnisse – „Pipi, Hunger, müde“ - des Kindes und von uns selbst zusammenkommen. Das sind die Momente, bei denen unsere Kinder in eine große Überforderung schlittern und dies meist mit starken Gefühlen zum Ausdruck bringen. Diese starken Gefühlsausbrüche wiederum können uns selbst in eine Überlastung bringen, und wir schaffen es nicht, in der liebevollen und friedvollen Führung und in VerBINDUNG zu bleiben.
Was können wir Eltern also tun, um mit unseren Kindern in einer guten VerBINDUNG zu sein? Und es, vor allem auch in Situationen mit dunklen Farbtönen, zu bleiben?
Der Beziehungstank als VerBINDUNGSstück in deiner bewussten, friedvollen Elternschaft
Wir können unseren Fokus immer wieder auf unsere Beziehung zu unseren Kindern legen. Die Orientierung an den Bedürfnissen aller Familienmitglieder und auch die Bindungsorientierung sind für viele Familien gelebte Werte in ihrem Alltag. So darf es auch die Orientierung an der Beziehung sein.
Ich lade dich hierzu ein, ein inneres Bild in dir entstehen zu lassen. Ein Bild von einer Tankanzeige. Wie in deinem Auto. Diese Tankanzeige, vor deinem inneren Auge, versinnbildlicht deinen eigenen und auch den Beziehungstank deines Kindes. Die Anzeige kann bei leer stehen, bei halb voll oder bei voll. Passend zu diesem inneren Bild, gebe ich dir drei Tipps für deine starke Eltern-Kind-Beziehung an die Hand:
Dein eigener Tank steht an oberster Stelle! Stärke die VerBINDUNG zu dir selbst. Beachte dabei die vier Faktoren, die für das Entstehen einer guten VerBINDUNG verantwortlich sind.
Wie kann das aber im gelebten, oft stressigen Alltag mit Kind(ern) aussehen? Wie kannst du regelmäßig Zeit nur mit dir verbringen? Beim Sport? Beim Serien schauen?
Wie könntest du dir Aufmerksamkeit schenken? Beim Tagebuch schreiben? Beim achtsamen Trinken und Essen? Überlege, was hat dir Freude bereitet, dich er-füllt, vor deiner Elternschaft? Hattest du ein freudvolles Hobby, das du wieder aufnehmen könntest?
Wie kannst du dich berühren (lassen)? Achtsame Körperpflege? Bei einem Gespräch mit einer lieben Freundin? Oder beim bewussten Hören deines Lieblingssongs?
Und was kann dir eine Unterstützung sein, deine Bedürfnisse (wieder) besser wahrzunehmen und zeitnah darauf zu reagieren? Innehalten? In dich hinein spüren? Deine Körperempfindungen wahrnehmen?
Beginne zu experimentieren und zu erforschen, was dir guttut.
Denn nur wenn dein eigener Beziehungstank gut gefüllt ist, kannst du dich fürsorglich dem Beziehungstank deines Kindes zuwenden. Nur so kannst du liebevoll führend deine friedvolle Elternschaft leben. Und dies wirkt sich wiederum spürbar beziehungsstärkend in deiner VerBINDUNG zu deinem Kind aus. Wenn unser Beziehungstank gut gefüllt ist, können wir auch viel besser die Tankanzeige des Beziehungstanks unseres Kindes wahrnehmen. Und das führt dich zu meinem zweiten Tipp.
Die Tankanzeige deines Autos hast du wahrscheinlich bei jeder Fahrt im Blick und du tankst rechtzeitig, und nicht erst kurz bevor dein Auto vor dem Stehenbleiben ist. Oder? Behalte also auch den Beziehungstank deines Kindes im Blick und tanke ihn schon im Idealfall auf, noch bevor er in den Reservemodus geht.
So kann das in eurem gelebten Familienalltag aussehen: Verbringe tagsüber immer wieder ganz bewusst ZEIT mit deinem Kind. Von dir aus. Ohne dass dein Kind dich danach fragt oder dich dazu auffordert. Eine liebevolle Umarmung hier, ein paar freundliche Worte da oder ein Lächeln, das einfach so, von Herzen kommt.
Schenke ihm dabei deine ungeteilte AUFMERKSAMKEIT. Binde es spielerisch in deine alltäglichen Aufgaben, z.B. den Haushalt betreffend, mit ein. Lest gemeinsam ein Buch. Baut zusammen ein Puzzle. Geht zusammen eine Runde spazieren.
Biete ihm an, es auf deinen Arm hoch zu nehmen. Tanzt gemeinsam eine Runde durch die Wohnung. Singe ihm ein Körperlied vor oder mache eine kleine Massage.
Dadurch erfüllst du den dritten Faktor von Bindung: die BERÜHRUNG.
Und zu guter Letzt. Versuche, so oft es dir möglich ist, FEINFÜHLIG auf dein Kind und auf seine Bedürfnisse, seine Wünsche, seine Gefühle und auf sein Verhalten zu reagieren. Gehe auf Augenhöhe. Höre deinem Kind aufmerksam zu, wenn es mit dir spricht. Lege dein Smartphone zur Seite oder auch gleich mal für einige Zeit in eine Schublade. Im Bezug auf das „Wie“ du den Beziehungstank deines Kindes gut füllen kannst, gibt es noch einen weiteren Aspekt, den ich dir an die Hand geben möchte. Denn nicht jeder (Beziehungs)Tank benötigt denselben Kraftstoff. Deshalb hier mein dritter Tipp für dich!
(Er)kenne den Kraftstoff deines Kindes und nutze alltägliche Handlungen, um den Beziehungstank zu füllen. Hierbei können wir uns an den Bindungsstufen unserer Kinder orientieren. Junge Säuglinge und Babys tanken Beziehung vor allem über Körperkontakt und Berührung auf. Aber auch liebevolle Worte durch deine Stimme und dein ganz eigener Geruch tragen zu einem vollen Tank bei. Im Laufe des 2. und 3. Lebensjahres spüren die meisten Kinder VerBINDUNG am allermeisten durch z.B. Gleichheit. Sie beginnen uns nachzuahmen. Wollen gleich aussehen wie wir, wollen das Gleiche tun wie wir. Nutzen wir das, um den Beziehungstank aktiv zu füllen. Ziehen wir uns ähnlich an. Oder malen wir unserem Kind mit der gleichen Lieblingsfarbe ein Bild.
Als letzten Geheimtipp, möchte ich dir meinen ganz persönlichen Favoriten unter den Kraftstoffen verraten. Das SUPER PLUS sozusagen. Es sind all die kleinen und größeren Momente der körperlichen Pflege, die wir mit unseren Babys und Kleinkindern mehrmals am Tag erleben. Pflege ist nicht nur wickeln, waschen usw. Das sind nicht nur notwendige Tätigkeiten im Leben mit Baby und Kind. Vielleicht auf einen ersten Blick. Ja! Bei genauerer Betrachtung aber, liegt in der Körperpflege unserer Kinder noch so viel mehr. In der Pflege liegt so viel Kraft. Super Plus-Kraft eben. Diese Kraft kann uns sehr darin unterstützen, den Beziehungstank unserer Kinder zu füllen. Mehrmals am Tag. In der Begegnung. Im gemeinsamen Miteinander. In kleineren und in größeren Momenten des Zusammenseins.
Dazu empfehle ich dir die folgenden drei B’s in deine Pflegehandlungen mit deinem Baby oder Kind miteinzubauen: Blickkontakt. Nachdem du dein Baby, dein Kind angesprochen hast, blicke ihm für einen ganz bewussten Moment in die Augen, bevor du das 2. B berücksichtigst.
Die sprachliche Begleitung. Gib deinem Kind über deine verbale Sprache Orientierung darüber, was du mit ihm tun möchtest. Und lasse dabei auch immer wieder Zeit, damit dein Kind deine Worte verstehen und integrieren kann, bevor du das Angekündigte ausführst. Ein Beispiel ist, du möchtest deinem Kind die Hose ausziehen. Sage ihm genau das: „Ich werde dir nun deine Hose ausziehen.“ Lasse einen kurzen Moment verstreichen und beginne dann, ein Beinchen nach dem anderen sanft aus der Hose zu ziehen.
Das letzte der drei B’s ist die Berührung. Unsere Hände können, ebenso wie unser Mund, sprechen. In diesem Fall, eine nonverbale Sprache. Sie können mit sanften Berührungen und achtsamen Bewegungen dazu beitragen, dass Pflegemomente für unsere Kinder zu kleinen Wellnessoasen werden. Unsere Augen, unsere ausgesprochenen begleitenden Worte und die Sprache unserer Hände sind also große Unterstützungen, um in der Pflege den Beziehungstank unserer Kinder aufzufüllen. Nutzen wir sie!
Im aktuellen Monatsfokus MAI gehen wir in unserem Communitybereich diesen drei Tipps noch einmal genauer auf die Spur. Zwei Workshops warten darauf, dich mit wertvollen Impulsen rund um deine Bindung und Beziehung zu deine:n Kind:ern und zur Vermeidung stressiger Momente in der Pflege zu beREICHern. Darüber hinaus gibt es zwei ElternKraftKreise, die dich an deine innere Kraft erinnern. Die mehrmals stattfindenden Plauderstunden und der Eltern-Talk über Geschwisterbeziehungen runden den Monatsfokus wunderbar ab. Damit du durch eine starke Eltern-Kind-Beziehung in und mit deiner Familie gut in VerBINDUNG sein kannst!
Erzähle mir sehr gerne in den Kommentaren: Wann, wo und in welchen Situationen fühlst du dich mit deine:n Kind:ern nicht gut verbunden? Welche Pflegesituation stresst euch gegenwärtig am allermeisten?
Wir freuen uns sehr auf dich
Herzensgrüße Franziska und das gesamte JAEL-Team
P.S.: Was und wer ist JAEL eigentlich genau? HIER kannst du noch mehr über uns erfahren.
Dann ist die JAEL Community für dich genau richtig.
Was denkst du?